KONTEXTANALYSE

 Warum engagieren wir uns?

Unser Wunsch für die Zukunft ist eine solidarische und inklusive Gemeinschaft, in der Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und schweren Krankheiten die ein erfülltes, würdiges Leben führen können und die Diversität aller Menschen gelebt und geschätzt wird. 

Aktuell sieht die Lebensrealität dieser Menschen leider anders aus. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation lebt 15% der Weltbevölkerung mit mindestens einer Form von körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung oder Behinderung. Insbesondere Menschen mit Behinderungen im globalen Süden leben häufig unter der Armutsgrenze und erhalten kaum Unterstützung durch den Staat oder die Zivilgesellschaft. Dadurch haben sie nur beschränkt Zugang zu Gesundheitsversorgung und speziellen medizinischen Behandlungen, zu Bildung und zum Arbeitsmarkt (Weltgesundheitsorganisation, 2011). Mehr als die Hälfte kann sich  keine Gesundheitsversorgung leisten. Hinzu kommt, dass gerade in Entwicklungsländern viele der Gesundheitszentren und Krankenhäuser nicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen spezialisiert sind oder ihnen die notwendige Ausstattung fehlt (Weltgesundheitsorganisation, 2018).

Anteil an Behinderungen weltweit
Grafik zu medizinischen Behandlungen

Warum besteht in Lateinamerika besonderer Handlungsbedarf?

In Lateinamerika, einer der Regionen mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit, lebt die Mehrheit der Menschen mit Behinderung in extremer Armut und sieht sich mit einer Vielzahl von Einschränkungen und Benachteiligungen in allen Bereichen der Gesellschaft konfrontiert. Dies gilt insbesondere für Kinder mit Behinderungen und ihren Familien. In unserem Projektland Kolumbien leben schätzungsweise 170.000 Kinder unter 18 Jahren mit einer Behinderung (Ministerio de Salud, 2017). Aufgrund von Ungenauigkeiten bei der Datenerhebung und der Schwierigkeiten von Haushaltsbefragungen in abgelegenen Gebieten, wird die Dunkelziffer jedoch deutlich höher eingeschätzt (ICBF, 2013). Die Ursachen für das Auftreten von Behinderungen sind vielfältig und sehr schwierig zu bestimmen, da in den meisten Fällen das Zusammenspiel mehrerer Faktoren verantwortlich ist. Die häufigste Ursache für das Auftreten einer Behinderung bei einem Kind ist eine genetische Veränderung während der Entwicklung im Mutterleib (29%). Am häufigsten treten bei den betroffenen Kindern Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit dem Nervensystem, der Bewegung der Gliedmaßen und Sprache und Artikulation auf (ICBF, 2013).

Jedes dieser Kinder benötigt für seine individuelle Entwicklung besondere Zuwendung, medizinische Versorgung, Pflege, sowie Therapiemaßnahmen . Viele Familien können sich jedoch die medizinischen Behandlungen, Medikamente und Therapien nicht leisten, da sie keine Krankenversicherung besitzen oder es zu viele bürokratische Hürden gibt. Außerdem fehlt es insbesondere in ländlichen Regionen, aber auch in größeren Städten an Hilfsangeboten, Tagespflegeeinrichtungen und Therapiezentren. Für viele Familien bedeutet die Pflege von Angehörigen mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen eine sehr große finanzielle Belastung, die häufig zu Überschuldung und Verarmung führt. Das Abrutschen in die Armut wirkt sich wiederum sehr negativ auf das Kind und seine Versorgung aus (Sánchez Herrera, Gallardo Solarte et al., 2016). Viele Eltern sehen sich daher gezwungen ihr Kind in die Obhut des nationalen Familieninstiuts (ICBF) zu geben. Im Jahr 2019 lag die Zahl der Minderjährigen mit Behinderungen unter staatlicher Vormundschaft bei 6.000 (Ministerio de Salud y Protección Social 2019).

Ein ähnliches Schicksal teilen Familien mit Kindern mit schweren Erkrankungen wie Krebs oder Aids. Jedes Jahr werden in Kolumbien etwa 5.000 neue Fälle von komplexen pädiatrischen Krankheiten diagnostiziert. 30 Prozent der Kinder beginnen nie mit einer Behandlung und 20 Prozent brechen diese aufgrund von mangelnder Unterstützung und Information seitens der Krankenkasse ab (Fundación Proyecto Unión, 2020). Der am häufigsten genannte Grund für die fehlende Behandlung oder den frühzeitigen Abbruch sind jedoch die hohen Kosten (Rativa Velandia & Carre~no Moreno, 2018). Infolgedessen sterben in Kolumbien rund 60% der an Krebs erkrankten Kinder aufgrund von mangelnder medizinischer Versorgung (Fundación Pequeños Valientes, 2021).

Statistik zu Krebserkrankung

Wie tragen wir dazu bei diese Situation zu verändern?

Mit unseren Projekten wollen wir erreichen, dass jedes Kind mit einer Form von Behinderung oder schweren Erkrankung in Lateinamerika die medizinische Versorgung und Unterstützung erhält, die es braucht, um ein menschenwürdiges und erfülltes Leben zu führen und die es ihm ermöglicht, an der Gesellschaft teilzuhaben und seine individuellen Fähigkeiten zu entfalten. Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern vor Ort möchten wir einen spürbaren Beitrag dazu leisten und setzen mit unseren Projekten dort an, wo das öffentliche System an seine Grenzen kommt. Dazu gehört die Finanzierung von speziellen Pflegeeinrichtungen mit qualifiziertem Fachpersonal für Kinder mit Behinderung, ebenso wie ein breites Unterstützungsangebot für Kinder mit schweren oder chronischen Erkrankungen und ihren Familien.

Durch unsere Projekte versuchen wir auch unseren Beitrag zur Umsetzung der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zu leisten:

Artikel 23 (1)

Förderung von Kindern mit Behinderungen

Förderung von Kindern mit Behinderungen

(1) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass ein geistig oder körperlich behindertes Kind ein erfülltes und menschenwürdiges Leben unter Bedingungen führen soll, welche die Würde des Kindes wahren, seine Selbständigkeit fördern und seine aktive Teilnahme am Leben der Gemeinschaft erleichtern.

Artikel 24

Gesundheitsvorsorge

Gesundheitsvorsorge

(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an sowie auf Inanspruchnahme von Einrichtungen zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung der Gesundheit. Die Vertragsstaaten bemühen sich sicherzustellen, dass keinem Kind das Recht auf Zugang zu derartigen Gesundheitsdiensten vorenthalten wird.

Artikel 23 (2)

Förderung von Kindern mit Behinderungen

Förderung von Kindern mit Behinderungen

(2) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des behinderten Kindes auf besondere Betreuung an und treten dafür ein und stellen sicher, dass dem behinderten Kind und den für seine Betreuung Verantwortlichen im Rahmen der verfügbaren Mittel auf Antrag die Unterstützung zuteil wird, die dem Zustand des Kindes sowie den Lebensumständen der Eltern oder anderer Personen, die das Kind betreuen, angemessen ist.

Artikel 27

Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt

Angemessene Lebensbedingungen; Unterhalt

(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard an.
Nachhaltige Entwicklungsziele

Neben der Kinderrechtskonvention orientieren wir uns ebenso an den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals). 

Dabei fokussieren wir uns besonders auf das Ziel Nummer 3: Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern. Mit dem Bau des Hogar Amparo de Ángeles für 100 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und chronischen Krankheiten möchten wir unseren eigenen Beitrag für das Erreichen dieses ambitionierten Ziels leisten. Diese kindgerechte und barrierefreie Pflegeeinrichtung soll das neue, liebevolle Zuhause der Kinder werden, mitten in der wunderschönen Natur des Ecoparqe Jaime Duque in Tocancipá, Cundinamarca. Ein multidisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegern, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Sonderpädagog*innen Physio-, Atem- und Ergotherapeut*innen wird sich dort rund um die Uhr um die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes kümmern und es bei seiner körperlichen und geistigen Entwicklung unterstützen. Letztlich sollen damit der Gesundheitszustand und die Lebensqualität der Kinder verbessert und ihre Chancen auf die Teilhabe an der Gesellschaft erhöht werden. 

Neben der Verbindung zum SDG 3 gibt es einige Schnittstellen und Verbindungen zwischen diesem Nachhaltigkeitsziel und anderen SDGs, die ebenfalls mit dem Projekt Hogar Amparo de Ángeles gefördert werden sollen.

Priorisierung der Gesundheitsversorgung der Personen, die in Armut leben.

Hogar Amparo de Ángeles wird das neue Zuhause von 100 Kindern und Jugendlichen, deren Familien häufig aufgrund fehlender finanzieller Mittel ihre Kinder nicht selbst versorgen können und diese in staatliche Obhut des ICBF geben. 

Zusätzlich soll die Einrichtung als Tagespflegestätte für bis zu 50 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen aus der Region La Sabana dienen. Damit sollen ihre Familien entlastet werden und verhindert werden, dass ein Elternteil seine Arbeit aufgeben muss und damit das Armutsrisiko steigt.

Gegen die Ursachen und die Auswirkungen von Unter- und Mangelernährung vorgehen.

Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist der Grundstein für die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern. Oftmals kommen jedoch Kinder mit Zeichen von Unter- und Mangelernährung zu Fundación Proyecto Unión, die sich negativ auf ihre Gesundheit und geistige und körperliche Entwicklung auswirken. 

Aus diesem Grund erhalten alle Kinder im Hogar Santa Rita jeden Tag drei frisch zubereitete Mahlzeiten oder sie werden mit spezieller Babynahrung und Aufbaupräparaten versorgt. Einige Kinder werden auch durch Magensonden ernährt. Regelmäßig überprüfen die Ärzt*innen und Pfleger*innen das Gewicht und die Nährstoffversorgung der Kinder und passen die Ernährungspläne an ihre individuellen Bedürfnisse an.

Gleichen Zugang zu Gesundheitsversorgung garantieren.

Alle Kinder, die derzeit im Hogar Santa Rita de Cascia von Fundación Proyecto Unión leben, stehen unter staatlicher Obhut des ICBF, da ihre Familien aus verschiedenen Gründen nicht für sie sorgen können. Häufig sind Armut und fehlende finanzielle Mittel für die Krankenversicherung und Behandlungskosten der Grund. Proyecto Unión möchte gerade diesen Kindern die Chance auf ein besseres Leben ermöglichen und bietet ihnen ein liebevolles Zuhause.